Rechtsradikalismus: AfD in Ostdeutschland – »Die gefühlte Bedrohung ist entscheidend«
In Bezug auf das aktuelle Umfragehoch der AfD in Ostdeutschland führten Julian Nejkow und Clemens Kießling ein ungewöhnliches Forschungsprojekt in verschiedenen Kneipen in Görlitz durch. Die Wahl der Kneipen als Forschungsstätten war auf eine Schlüsselsituation zurückzuführen, in der sich die Atmosphäre als lockerer und ungezwungener erwies. Die Gespräche mit den Kneipenbesuchern offenbarten interessante Einblicke, insbesondere bezüglich der Veränderungen in den Haltungen und Aussagen der Menschen nach dem Konsum von Alkohol.
Die durchgeführten Einzelgespräche enthüllten, dass hauptsächlich Männer an den Diskussionen beteiligt waren, wobei insbesondere Menschen über 50 Jahren eine deutliche Affinität zu früheren DDR-Zeiten ausdrückten. Das Forschungsprojekt beleuchtete auch die Themen Arbeit und Familie als zentrale Anliegen im Alltag der Kneipenbesucher.
In der Auswertung der Studie betonte Clemens Kießling die Relevanz politischer Themen im Leben der Menschen, insbesondere wenn sich politische Entscheidungen auf ihren Alltag auswirken. Diese Verknüpfung zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos, insbesondere in Bezug auf Ereignisse wie die Corona-Maßnahmen oder die Migration, spiegelte sich in den diskutierten Themen während der Kneipengespräche wider.
Die herausgearbeitete „gefühlte Bedrohung“ war ein zentrales Thema, da viele Menschen trotz persönlichen Wohlergehens eine Bedrohung ihres Wohlstands durch externe Faktoren empfanden. Die AfD erschien dabei als eine politische Alternative, die Sicherheit und Stabilität in ihrem Mikrokosmos versprach. Die Diskrepanz zwischen den Versprechen der AfD und ihrer realen Umsetzbarkeit wurde während der Gespräche deutlich.
Die Bedeutung von Vertrauen und Kommunikation wurde als Schlüsselfaktor für gesellschaftliche Veränderungen und die Bewältigung von Krisen hervorgehoben. Insbesondere im Umgang mit neuen Herausforderungen wie der Klimakrise wurde die Notwendigkeit einer transparenten und verständlichen Kommunikation betont, um Vertrauen zu stärken und vorhandene Ängste und Unsicherheiten abzubauen.
Die Gespräche in den Kneipen offenbarten auch eine Tendenz zur Meinungsäußerung ohne tiefergehendes Wissen, was die Notwendigkeit von Demut und Respekt in der Kommunikation unterstrich. Die Bereitschaft zum Erwerb von Wissen und zur Veränderung war jedoch teilweise durch vergangene Enttäuschungen und gesellschaftliche Umbrüche beeinträchtigt. Die Studie verdeutlichte somit die Komplexität und Herausforderungen im Umgang mit politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Ostdeutschland.