
In Russland verzeichnet die Nachfrage nach Second-Hand-Waren und Reparaturdiensten für Haushaltsgeräte einen signifikanten Anstieg. Dies ist vor allem auf die steigenden Lebenshaltungskosten zurückzuführen, wodurch viele Russen verstärkt auf den Kauf neuer Waren verzichten. Experten berichten, dass insbesondere junge Menschen in diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten weniger für Reisen, Unterhaltung und Luxusgüter ausgeben.
Im Jahr 2024 betrug die Inflationsrate in Russland 9,52 Prozent, was über der Prognose der Zentralbank von maximal 8,5 Prozent liegt. Versuche, die Preise zu stabilisieren, einschließlich einer Erhöhung des Leitzinses, zeigten kaum Wirkung. Der Ökonom Igor Lipsiz stellt fest, dass die tatsächliche Inflation möglicherweise mehr als das Siebenfache der offiziellen Rate beträgt und vergleicht die Situation der russischen Wirtschaft zunehmend mit der sowjetischen, die auf militärische Bedürfnisse ausgerichtet war.
Steigende Nachfrage nach Gebrauchtwaren
Die Nachfrage nach gebrauchten Luxusgütern steigt, da Sanktionen und der Rückzug westlicher Marken aus dem russischen Markt infolge des Ukraine-Kriegs zu einem Umdenken führen. Besitzer teurer Markenartikel verkaufen diese, um einen Teil ihres Geldes zurückzuerhalten, während Käufer günstigere Luxuswaren suchen. In Second-Hand-Läden sind die Preise um 8 bis 9 Prozent gestiegen, was mit der Inflationsrate übereinstimmt, jedoch im Vergleich zu neuen Produkten als gering erachtet wird.
Der Trend zum Weiterverkauf von Markenkleidung wird auch als Teil einer weltweiten Entwicklung hin zu bewusstem Konsum wahrgenommen. In Regionen mit Gehaltserhöhungen, insbesondere in Rüstungsbetrieben, ist die Nachfrage nach Luxusartikeln gewachsen, wobei Monatsgehälter zwischen 200.000 und 300.000 Rubel (ca. 2.000 bis 3.000 Euro) liegen.
Zusätzlich zeigen mehr Russen ein Interesse daran, alte Haushaltsgeräte reparieren zu lassen, was die Nachfrage nach Reparaturdiensten erhöht und gleichzeitig zur Abfallvermeidung beiträgt. Die Plattform Avito, bekannt für den Tausch von Waren, verzeichnete im Jahr 2023 einen Umsatz von 1,9 Billionen Rubel (ca. 19 Millionen Euro). Die Zahl der Anzeigen für Reparaturen von Haushaltsgeräten stieg dabei um 45 Prozent in 2022 und um 64 Prozent in 2023. Besonders gefragt sind Reparaturen von Waschmaschinen und Trocknern, die um 181 Prozent zugenommen haben.
Herausforderungen und Problematiken
Im Gegensatz dazu sank das Interesse an Reparaturen von Computern um 30 Prozent, was auf Importprobleme aufgrund der westlichen Sanktionen zurückzuführen ist. Umweltorganisationen berichten über ein wachsendes Interesse an Second-Hand-Waren in Russland, während mehr als 78 Prozent der Textilien im Müll für Wiederverwendung oder Recycling geeignet wären. Simultan geben etwa 20 Prozent der Familien an, sich keine neue Kleidung leisten zu können.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben auch Auswirkungen auf die Abfallwirtschaft, da Unternehmen, die Sekundärrohstoffe verarbeiten, mit finanziellen Problemen kämpfen. Einige Müllsammelstellen mussten schließen, da sich die Mietpreise stark erhöht haben. Die Wirtschaftskrise mindert zudem das Interesse der Bürger an Umweltthemen, da Recycling oft teurer sein kann als die ursprüngliche Produktion der Waren.