
In Solothurn fand eine Podiumsdiskussion des Industrieverbandes Inveso statt, bei der Experten über die Herausforderungen der Wirtschaftspolitik diskutierten. Unter den Teilnehmern waren Führungskräfte von Unternehmen wie Fraisa, Stahl Gerlafingen, Agathon und Hess. Die Diskussion drehte sich vor allem um die neuen Zölle der USA sowie die staatliche Unterstützung für die Industrie. Thomas Nägelin, Chef von Fraisa, äußerte sich kritisch zu den staatlichen Hilfspaketen und sprach sich für wirtschaftsliberale Ansätze aus. Er betonte, dass es problematisch sei, wenn der Staat in die wirtschaftlichen Abläufe eingreife und mahnte zur Zurückhaltung in der Industriepolitik.
Ständerätin Franziska Roth (SP) vertrat die Ansicht, dass Industriepolitik nicht grundsätzlich negativ sei. Ihre Aussage deutet auf die Notwendigkeit hin, gezielt und vorausschauend in die Industrie einzuwirken, um diese zukunftsweisend zu gestalten. Patrick Puddu von Stahl Gerlafingen beschrieb die staatlichen Hilfen als temporäre Entlastung, denen jedoch zahlreiche Bedingungen anhafteten. In diesem Kontext wurde auch die Notwendigkeit hervorgehoben, Innovationen und gute Rahmenbedingungen für die Industrie zu schaffen.
Staatliche Hilfen und ihre Bedingungen
Im Jahr 2024 beschloss das Parlament eine „Überbrückungshilfe“, die speziell für vier Stahl- und Aluminiumproduzenten vorgesehen war. Diese Maßnahme kam vor dem Hintergrund, dass kein einziges Unternehmen bislang einen Antrag auf Unterstützung gestellt hat. Einer der Gründe hierfür sind die strengen Auflagen, die an die Subventionen gekoppelt sind. Antonio Beltrame, Inhaber von Stahl Gerlafingen, hatte zuvor Unterstützung aufgrund hoher Energiekosten gefordert. Trotz dieser Forderungen lehnten Bundesrat und Wirtschaftsdepartement Anträge nach zusätzlicher Unterstützung ab, fanden jedoch im Parlament Gehör.
Im Dezember 2024 wurde schließlich ein Hilfspaket verabschiedet, das für die Jahre 2025 bis 2028 einen Rabatt auf die Nutzung des Stromnetzes in Höhe von insgesamt 37 Millionen Franken vorsieht. Am 7. März 2025 genehmigte der Bundesrat die entsprechende Verordnung, die rückwirkend zum 1. Januar 2025 in Kraft trat. Bislang blieb die Reaktion der Unternehmen jedoch aus. Fünf Wochen nach Inkrafttreten der Verordnung wurde kein Antrag auf die „Überbrückungshilfe“ eingereicht.
Bedenken und Herausforderungen
Die Unternehmen empfinden viele der Auflagen als verhindernd. Dazu gehört unter anderem ein Verbot von Dividenden und die Verpflichtung, einen CO2-Reduktionsfahrplan zu erstellen. Dies führt zu Bedenken, dass die Boni-Problematik zu arbeitsrechtlichen Schwierigkeiten führen könnte. Eine solche Unsicherheit könnte erklären, warum selbst Stahl Gerlafingen noch keine Entscheidung über einen Antrag getroffen hat. In Branchenkreisen wird zudem bemerkt, dass einige Politiker möglicherweise enttäuscht sein könnten, falls nur Stahl Gerlafingen die Hilfe in Anspruch nimmt, was das Parlament in ein schlechtes Licht rücken könnte.
Alex Naef, der Chef von Hess, verdeutlichte außerdem die Bedeutung von Berufsbildung und Universitäten für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie. Michael Merkle von Agathon unterstützte die Notwendigkeit, die Beziehungen zur EU zu verbessern. Dies ist besonders wichtig, da Thomas Nägelin einen Rahmenvertrag mit der EU als zentral für die wirtschaftliche Zukunft der Schweiz ansieht.
Die Diskussionen rund um die staatlichen Hilfen und deren Umsetzung zeigen, dass derzeit noch eine große Unsicherheit in der Industrie herrscht. Während einige Unternehmen wie Novelis sich bereits entschieden haben, die Unterstützung nicht in Anspruch zu nehmen, bleibt die Entwicklung in der Stahl- und Aluminiumindustrie weiterhin spannend und könnte weitreichende Folgen für die Wirtschaftspolitik in der Schweiz haben.
Für weitere Informationen über die Diskussion in Solothurn können Sie die Berichterstattung der Solothurner Zeitung sowie die Analyse in der NZZ lesen.