
Der Vorfall rund um die Sperrung des E-Mail-Accounts von Karim Ahmad Khan, dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), durch Microsoft hat nicht nur internationale Schlagzeilen gemacht, sondern wirft auch Fragen zur digitalen Souveränität auf. Nach den im Februar erlassenen Sanktionen der USA, die unter anderem gegen Khan und den IStGH gerichtet waren, sieht sich Microsoft jetzt erheblichem Druck und Kritik ausgesetzt. Die Blockade des Kontos wurde als direkte Behinderung der Arbeit des Gerichtshofs wahrgenommen, der auf digitale Dienstleister angewiesen ist, um effektiv arbeiten zu können. Infolge dieser Situation sah sich Khan gezwungen, zu Proton, einem Schweizer E-Mail-Anbieter, zu wechseln, um sicherzustellen, dass seine Kommunikation nicht behindert wird. Dies berichten sowohl die NZZ als auch heise.de.
Die Situation hat auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung der digitalen Souveränität in der Schweiz. Matthias Stürmer, Leiter des Instituts Public Sector Transformation, berichtet von einem Anstieg der Anfragen von Behörden und Firmen, die nach Möglichkeiten suchen, ihre digitale Unabhängigkeit zu stärken. Besonders in der Schweiz wächst das Interesse an Lösungen, die nicht von amerikanischen Anbietern abhängen. Swisscom hat dies ebenfalls bemerkt und stellt fest, dass Kunden zunehmend den Wechsel von amerikanischen Cloud-Diensten zu einheimischen Alternativen suchen.
Reaktionen und Maßnahmen zur digitalen Souveränität
Die Blockade hat Kritiker auf den Plan gerufen, die anmerken, dass Swisscom oft nur Produkte ausländischer Anbieter unter Schweizer Branding verkauft. Stürmer hebt hervor, dass es mittlerweile zahlreiche Open-Source-Lösungen gibt, die eine bessere Unabhängigkeit bieten und Daten im Land halten. Die Berner Fachhochschule arbeitet aktiv an einem Konzept zur Schaffung eines Schweizer Zentrums für digitale Souveränität, das in Zusammenarbeit mit Behörden und Open-Source-Anbietern realisiert werden soll.
Auf politischer Ebene nimmt das Thema ebenfalls Fahrt auf. Deutschland hat bereits ein Gesetz eingeführt, das Open-Source-Software bevorzugt, während die Schweiz noch hinterherhinkt und viele Verwaltungen weiterhin zu großen kommerziellen Anbietern tendieren. Pascal Mages von Open Circle kritisiert die Abhängigkeit von Microsoft und verdeutlicht, dass selbst bei lokaler Speicherung von Daten diese aufgrund des Cloud Acts weiterhin in die USA übertragen werden müssen. Er betont zudem die Vorteile von Open-Source-Technologien, die einen Anbieterwechsel ohne Lock-in-Effekt ermöglichen.
Der Vorfall hat nicht nur rechtliche und praktische Implikationen, sondern auch tiefere Fragen zur digitalen Unabhängigkeit und Sicherheit aufgeworfen. Der OSBA-Vorstandsvorsitzende Peter Ganten äußerte sich besorgt über die Schritte von US-Unternehmen und forderte Veränderungen, um die digitale Souveränität zu stärken. Ganten betont, dass die Unabhängigkeit von Gerichten nur durch digitale Souveränität gewährleistet werden kann. Microsoft hat zwar die Sperre von Khans E-Mail-Account eingeräumt, jedoch betont, dass die Dienste für den IStGH zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt wurden.
Unterdessen hat Khan aufgrund laufender Untersuchungen zur Verwicklung in mutmaßliche sexuelle Übergriffe vorübergehend sein Amt niedergelegt. Der Vorfall wirft somit nicht nur Fragen an die digitale Welt auf, sondern schürt auch das Bedürfnis nach nachhaltigen, unabhängigen Lösungen im digitalen Raum.