
Vorstände und Aufsichtsräte in Österreich sehen sich einem wachsenden Risiko ausgesetzt: Bei Verstößen gegen Sorgfaltspflichten haften sie unbegrenzt und solidarisch, womit sie im schlimmsten Fall ihre persönliche finanzielle Existenz gefährden können. Dies hat weitreichende Konsequenzen für das Management in Unternehmen, wie Die Presse berichtet. Fehlentscheidungen können dazu führen, dass geschädigte Dritte sich aussuchen können, gegen wen sie Haftungsansprüche geltend machen – eine beängstigende Aussicht für viele Führungspersönlichkeiten.
Die Verantwortung der Aufsichtsräte erstreckt sich über die gesamte Tätigkeit des Unternehmens, nicht nur über ihr unmittelbares Ressort. In diesem Zusammenhang spielen D&O-Versicherungen (Directors and Officers Liability) eine zunehmend wichtige Rolle. Diese Versicherungen, die in Österreich etabliert sind und ihren Ursprung im angloamerikanischen Raum haben, dienen als Absicherung für Vorstände und Aufsichtsräte. Sie decken Forderungen von Dritten sowie Anwaltskosten für die Verteidigung der Führungskräfte ab, was in der aktuellen rechtlichen Landschaft unerlässlich ist.
Rechtliche Konsequenzen und Beispiele
Die steigende Bedeutung der organschaftlichen Verantwortlichkeit führt zu erhöhten Ersatzansprüchen von Geschädigten. Ein eindrückliches Beispiel ist der ehemalige Volkswagen-Vorstand Martin Winterkorn, der wegen seiner Rolle im Dieselskandal zur Zahlung von 11,2 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt wurde. Insgesamt haben D&O-Versicherungen in diesem Skandal bis zu 270 Millionen Euro ausgezahlt. Solche Entwicklungen verdeutlichen die gravierenden Risiken, denen verantwortliche Führungskräfte gegenüberstehen.
Ein weiteres Beispiel aus Deutschland verdeutlicht die Problematik: Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte sechs frühere Mitglieder des Aufsichtsrats des insolventen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor zur Zahlung von rund 53,6 Millionen Euro Schadensersatz. Dabei wurde der Insolvenzverwalter aktiv, weil diese Aufsichtsratsmitglieder ihrer Pflicht zur Überwachung des Vorstands nicht nachgekommen waren. Die Gesamtschadenssumme inklusive Prozesszinsen beträgt etwa 81,5 Millionen Euro, was eindringlich auf die Risiken hinweist, die mit der Übernahme von Aufsichtsratsfunktionen verbunden sind.
D&O-Versicherungen als Schutzmaßnahme
Aufsichtsräte sollten Haftungsrisiken proaktiv angehen und zur Verbesserung ihrer Rechtsposition separate D&O-Versicherungsdeckungen in Betracht ziehen. Getrennte Policen für Vorstände und Aufsichtsräte bieten dabei einen besseren Schutz. Insbesondere die sogenannte „Two Tier Trigger Policy“ ist zu erwähnen, welche spezielle Bedingungen enthält, unter denen die D&O-Police für das Aufsichtsgremium greift.
Zudem fügen D&O-Versicherungen auch vorläufigen Rechtsschutz und Aktivkosten hinzu. Aufsichtsräte müssen zudem sicherstellen, dass sie Fehlverhalten des Managements aufklären, um der eigenen Haftung zu entgehen. Auch persönliche D&O-Versicherungen werden oft empfohlen, da sie individuellen Schutz bieten können und in der Regel keine Ausschlüsse beinhalten, die häufig in Unternehmens-D&O-Policen vorkommen. Es wird geraten, einen unabhängigen Versicherungsmakler zu konsultieren, um den optimalen Versicherungsschutz sicherzustellen.
Zusammenfassend stehen Vorstände und Aufsichtsräte in Österreich vor einer komplexen rechtlichen Situation, die sowohl Herausforderungen als auch umfassende Haftungsrisiken in sich birgt, die durch passende D&O-Versicherungen zumindest teilweise abgemildert werden können. Die Entwicklungen in der Rechtsprechung zeigen, dass verantwortliche Führungskräfte gut beraten sind, sich aktiv mit ihrem Versicherungsschutz auseinanderzusetzen.