
Die Krawatte, einst ein unverzichtbares Accessoire für formelle Anlässe, scheint derzeit einen Wandel durchzumachen. Während der Corona-Pandemie erlebte der Kleidungsstil in Deutschland grundlegende Veränderungen. Viele Menschen trugen bei virtuellen Meetings Hemd oben und Jogginghose unten, was sich drastisch auf die importierten Krawatten und Schleifen auswirkte. Laut rnd.de, fiel die Zahl der importierten Krawatten von etwa 8,6 Millionen im Jahr 2019 auf nur noch 3,3 Millionen im Jahr 2021. Tanja Croonen vom Modeverband „German Fashion“ sieht die gesamtwirtschaftliche Lage und die gelockerten Bekleidungsvorschriften als Gründe für diesen Rückgang. Auch die Importzahlen sprechen eine klare Sprache: während 2014 noch 14,4 Millionen Krawatten importiert wurden, waren es 2023 nur noch knapp 4,8 Millionen.
Die Verschiebung von formeller zu lässiger Kleidung ist evident. In vielen Berufen wie beim Versicherungsmakler und in Banken wird die Krawatte zunehmend als lästig empfunden. Die Sparkasse Nürnberg hat bereits 2016 ihren festen Dresscode gegen eine flexible „Guideline“ eingetauscht, die Outfits wie Chino-Hosen und Sneakers erlaubt. Selbst Unternehmensberatungen wie Boston Consulting haben den traditionellen Casual Friday abgeschafft; „casual“ ist nun Teil des alltäglichen Arbeitslooks, jedoch nicht ohne repräsentativen Anspruch, wie br.de berichtet.
Renaissance der Krawatte?
Doch trotz des allgemeinen Trends zur informellen Kleidung bleibt die Krawatte in bestimmten Kreisen relevant. Barbara Pauen, Chefin des Krawattenherstellers „Ascot“, berichtet von anhaltendem Interesse an Krawatten, besonders bei Festivitäten. Auch junge Leute zeigen sich zunehmend an Krawatten als modischem Unterscheidungsmerkmal interessiert. Pauen glaubt jedoch nicht, dass die Krawatte je wieder zum Mainstream zurückkehren wird, sondern sich zunehmend in Nischen positioniert.
Die Krawatte hat eine lange und bewegte Geschichte von über 400 Jahren. Ihre Ursprünge liegen bei kroatischen Soldaten im 17. Jahrhundert, und Ludwig XIV. von Frankreich war es, der sie in Europa populär machte. Während in der Modebranche ein Comeback der Krawatte angedeutet wird, insbesondere auch durch bunte und bedruckte Designs für Frauen, ist sie dennoch stark von der aktuellen Geschäftskultur beeinflusst.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Die wirtschaftliche Lage der Krawattenhersteller ist kritisch, da viele Betriebe aufgrund der gesunkenen Nachfrage vom Markt verschwunden sind. Beispielsweise hat der Krawattenproduzent Winklhofer in Pocking nur durch den Verkauf von Damenmode überleben können. Von 2014 bis 2023 sind die Exporte von Krawatten um 60 Prozent gesunken, was das Ausmaß der Krise verdeutlicht.
Historikerin Adelheid Rasche glaubt indes an die Fortdauer der Krawatte in bestimmten traditionellen Kreisen, besonders bei konservativen Politikern wie Joachim Herrmann und Albert Füracker, die sich weiterhin zu diesem Accessoire bekennen. Auch wenn die Krawatte in Alltagssituationen an Bedeutung verliert, könnte sie laut Rasche möglicherweise ein Comeback bei der jüngeren Generation erleben.