
Friedrich Merz wurde am 6. Mai 2025 zum Bundeskanzler einer schwarz-roten Koalition gewählt. Nach 100 Tagen im Amt ziehen Ökonomen eine gemischte Bilanz der wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Laut dem 52. Ökonomenpanel von ifo und FAZ, das vom 29. Juli bis 5. August 2025 durchgeführt wurde, haben 170 VWL-Professorinnen und -Professoren ihre Einschätzungen zu den bislang ergriffenen Maßnahmen abgegeben. Die Ergebnisse zeigen eine geteilte Meinung zur Wirtschaftspolitik der neuen Regierung.
Die Umfrage ergab, dass 30% der Teilnehmer die Maßnahmen als „eher negativ“ und 12% sogar als „sehr negativ“ bewerten. Dagegen stehen 25%, die eine eher positive Sichtweise vertreten, während 32% neutral gegenüber den Maßnahmen eingestellt sind. Die positiven Bewertungen basieren vor allem auf einem verstärkten Fokus auf öffentliche Investitionen und der Erhöhung des Verteidigungsetats.
Kritik und Herausforderungen
Trotz positiver Aspekte gibt es auch zahlreiche kritische Stimmen. So bemängeln die Ökonomen fehlende Reformanstrengungen in den Sozialsystemen und unzureichende Impulse für Strukturreformen, Bürokratieabbau und Klimaschutz. Insbesondere die Ausweitung der „Mütterrente“ und die Reform der Schuldenbremse stehen in der Kritik. Diese Entscheidungen werden als symptomatisch für ein mangelndes Reformbewusstsein wahrgenommen.
Besonders erwähnenswert sind die zusätzlichen Ausgaben für die Verteidigung, die Stärkung öffentlicher Investitionen durch ein Sondervermögen sowie die angekündigte Senkung der Körperschaftsteuer. Dennoch gibt es auch erhebliche Bedenken. Fast 39% der Befragten sehen keine gravierenden Unterschiede zur vorherigen Ampelregierung, während 41% deutliche Abweichungen wahrnehmen, hauptsächlich aufgrund der höheren Verteidigungsausgaben.
Wirtschaftliche Stimmung und Ausblick
Die allgemeine Stimmung in der Wirtschaft hat sich zwar verbessert, doch die Mehrheit der Ökonomen ist sich einig, dass zu wenige konkrete Maßnahmen ergriffen wurden. In der Steuer- und Sozialpolitik wird ein „Weiter-so“ festgestellt, was bei 53% der Teilnehmer zu einer Bewertung der wirtschaftspolitischen Kompetenz als „mittel“ führt. Die gleiche Anzahl schätzt den Einfluss der Maßnahmen auf die aktuelle Konjunktur als „eher positiv“ ein. Allerdings sehen 12% davon einen „eher geringen“ Einfluss.
Auf mittlere Sicht beurteilen 34% der Befragten die wirtschaftlichen Maßnahmen als „eher positiv“, während 37% neutral sind und 22% sie als „eher negativ“ bewerten. Ein zentrales Hemmnis sind die langen Umsetzungszeiten der Investitionen und die negativen Effekte, die durch US-Zölle entstehen können. Zudem wird ein zu geringer Fokus auf wachstumsfördernde Initiativen und fehlende strukturelle Reformen kritisiert.
Ein positiver Aspekt bleibt jedoch bestehen: Die potenziellen Wachstumseffekte, die sich aus den Investitionen in die Infrastruktur ergeben könnten, bieten Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen. Gleichzeitig gab es auch Teilnehmer, die keine gelungenen Entscheidungen benennen konnten, was die Unsicherheit in der Wahrnehmung der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Bundesregierung unterstreicht.
Die geteilte Meinung zu den bisherigen Maßnahmen illustriert die Herausforderungen, vor denen die neue Koalition steht. Es bleibt abzuwarten, ob künftige Entscheidungen den geforderten Reformbedarf decken und die Wirtschaft nachhaltig stärken können. Dies bestätigen auch die Ergebnisse des ifo, die die wachsenden Spannungen zwischen einer stabilen wirtschaftlichen Basis und dem notwendigen Reformdruck aufzeigen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die ersten 100 Tage der schwarz-roten Bundesregierung als gemischte Phase in die Geschichte eingehen könnten. Ein abwartendes Verhalten wird sowohl bei der Steuer- als auch bei der Sozialpolitik festgestellt. Cicero liefert hierzu eine umfassende Analyse der Meinungen und Einschätzungen der Ökonomen, die für das Bild der politischen Lage von großer Bedeutung ist.