
In einem aktuellen Appell fordert Bundeskanzler Friedrich Merz eine Erhöhung der Arbeitszeit in Deutschland. Dies scheint notwendig, da eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die Arbeitsstunden in Deutschland im internationalen Vergleich relativ niedrig sind. Im Jahr 2023 betrug die durchschnittliche Arbeitszeit für Erwerbstätige im Alter von 15 bis 64 Jahren lediglich 1036 Stunden. Zum Vergleich: Griechenland verzeichnete 1172 Stunden, Polen sogar 1304 Stunden, während Neuseeland mit über 1400 Stunden die Spitze einnimmt. Die zahlreichen Teilzeitarbeitsverhältnisse in Deutschland tragen ebenfalls zu diesem Trend bei, wobei rund 30% der Erwerbstätigen teilzeitbeschäftigt sind.
Wie Focus berichtet, erlebte Deutschland im Mai 2024 einen Höchststand der Erwerbstätigen mit rund 46 Millionen Beschäftigten, allerdings ist diese Zahl seitdem rückläufig. Prognosen deuten darauf hin, dass bis 2036 fast 20 Millionen Babyboomer in den Ruhestand gehen werden, was zusätzliche Herausforderungen für den Arbeitsmarkt darstellen könnte. Dies führt zu der Erkenntnis, dass der gesamtdeutsche Arbeitsmarkt ein negatives Wachstum erfahren könnte, wenn nicht wesentlich mehr Menschen bis zum regulären Renteneintrittsalter arbeiten.
Rückgang der Arbeitsstunden
Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) seit der Wiedervereinigung verdeutlicht, dass die durchschnittliche Arbeitszeit seitdem kontinuierlich abgenommen hat. Trotz eines Anstiegs in den letzten zehn Jahren haben viele europäische Länder ihre Pro-Kopf-Arbeitsstunden signifikant erhöht. So stiegen die Arbeitsstunden in Spanien um 15%, in Griechenland um 21% und in Polen um 23%. In Deutschland allerdings gab es nur einen Anstieg von 2% seit 2013. Diese stagnierenden Stunden haben auch Auswirkungen auf das Volkseinkommen und die soziale Absicherung im Land.
Ein weiteres zugrunde liegendes Problem ist die hohe Teilzeitquote, die sich teilweise aus dem steilen Steuertarif bei mittleren Einkommen ergibt, der Mehrarbeit unattraktiv macht. Im internationalen Vergleich ist die Teilzeitquote in Ländern wie Italien mit 18% und Polen mit 6% weitaus niedriger. Der Arbeitsmarkt in Deutschland scheint zudem wenig Anreize zu bieten, um die Erwerbsquote der Frauen, insbesondere von Müttern, zu steigern. Diese haben den Wunsch geäußert, ihre Arbeitszeiten auszuweiten, was wiederum einen besseren Ausbau der Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur für Kinder erfordert.
Politische Handlungsbedarf
Um die Situation zu verbessern, fordern Experten und Politiker grundlegende Veränderungen. Es wird vorgeschlagen, Fehlanreize wie die Rente mit 63 abzuschaffen, um mehr Menschen zu motivieren, länger im Erwerbsleben zu bleiben. Die frühen Rentenregelungen könnten dazu führen, dass das gesamtdeutsche Arbeitsvolumen sinkt, während gleichzeitig die Frauenerwerbstätigkeit bereits stärker ausgeschöpft ist als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Schaffung besserer Rahmenbedingungen und Anreize könnte dazu beitragen, die Arbeitszeit in Deutschland nachhaltig zu erhöhen.
Insgesamt ist es offensichtlich, dass Deutschland vor einer bedeutenden Herausforderung steht, um im internationalen Vergleich nicht zurückzufallen. Der Weg zu einer höheren Erwerbsquote und Arbeitszeit erfordert sowohl politische als auch gesellschaftliche Anstrengungen.