
Die Schweiz facettiert derzeit ihren Energiemarkt und plant, den Bürgern die freie Wahl ihres Stromversorgers zu ermöglichen. Aktuell sind die Kunden in der Schweiz gezwungen, beim lokalen Anbieter zu bleiben, häufig dem örtlichen Elektrizitätswerk. Mit über 600 Grundversorgern gibt es zwar eine Vielzahl von Anbietern, doch die Wahlfreiheit für die Konsumenten bleibt aus. Ein geplantes Stromabkommen mit der EU könnte Wettbewerb und niedrigere Preise fördern, was für die Verbraucher von Bedeutung wäre. Hierbei könnte das Beispiel Großbritannien wertvolle Lehren anbieten, das mit den Folgen einer Deregulierung konfrontiert ist, wie die NZZ berichtet.
In Großbritannien führte die Liberalisierung des Strommarktes zu gravierenden Problemen. Die Erfahrungen aus der dortigen Deregulierung sind lehrreich: Im Jahr 2021 gingen 30 von 70 Anbietern bankrott, was dazu führte, dass rund 4,5 Millionen Briten ihren Stromanbieter verloren. Steuerzahler mussten im Extremfall die finanziellen Folgen der Insolvenz großer Anbieter wie Bulb Energy tragen. Die Situation eskalierte weiter, als im April 2023 das Unternehmen Rebel Energy, gegründet 2019, seinen Betrieb einstellen musste. Das Unternehmen hatte keine eigenen Kraftwerke und konnte seine Stromrechnungen nicht mehr begleichen.
Die Folgen der Deregulierung
Die britische Aufsichtsbehörde musste nach mehreren Pleiten die Anforderungen für neue Anbieter verschärfen. Viele der Anbieter waren Handelsunternehmen, die Strom im Großhandel kauften und verkaufen, ohne langfristige Verträge zur Preisabsicherung zu haben. Diese Struktur führte in den letzten Jahren zu heftigen Preissprüngen im Großhandel, besonders bei Erdgas, was sich unmittelbar auf die Strompreise auswirkte. Schwere Preisschocks führten dazu, dass viele Anbieter nicht mehr konkurrenzfähig waren und pleitegingen.
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 blieb die Anzahl der Insolvenzen zunächst stabil, bis es mit Rebel Energy erneut zu einem Rückschlag kam. Laut Spiegel sieht sich Großbritannien nun mit drohenden Engpässen bei der Strom- und Gasversorgung konfrontiert, was die Diskussion über die Strommarktderegulierung neu entfacht hat.
Die schweizerischen Reformpläne einer Liberalisierung könnten also unter dem Einfluss der britischen Erfahrungen betrachtet werden. Der Wettbewerb könnte zwar die Preise senken, aber die Sicherstellung einer stabilen und zuverlässigen Versorgung bleibt eine zentrale Herausforderung, die die Schweiz im Zuge ihrer Reform einer umfassenden Analyse unterziehen muss.