Mit den höheren Inflationsdaten als erwartet in den USA und der Zinsentscheidung der EZB war die aktuelle Börsenwoche nicht eben ereignislos. Lange Zeit war ausgemacht, die amerikanische Notenbank Fed werde in diesem Jahr die Zinsen mehrfach senken und die Europäische Zentralbank folgen. Nun sieht es so aus, als ob die EZB den Anfang machen wird. Eine interessante Wende auf Raten: Zu Jahresbeginn erwartete man noch 5 bis 7 Zinssenkungen der Fed. Deren Zahl schrumpfte ständig, der Beginn rutschte immer weiter nach hinten – nun also umgedrehte Verhältnisse. So viel zu Prognosen.
Der Inflationsverlauf scheint der EZB mehr Spielräume zu geben. Wohlgemerkt scheint. Mit einem Wert von 4 Prozent verharrt die Dienstleistungsinflation, an der man am ehesten die Auswirkungen höherer Löhne auf die Preise erkennen kann, auf hohem Niveau und ist nicht so sehr viel niedriger als die in den USA. Auch wenn Analysten auf weniger Anspannung im Arbeitsmarkt verweisen – die Lohnpreisspirale ist nicht vom Tisch.
Die Aktienkurse konsolidieren ja schon länger. Seit dem Rekordhoch des S&P 500 vom 28. März hat dieser um 2,5 Prozent nachgegeben, ebenso wie der Euro Stoxx 50 und der F.A.Z.-Index. Am Freitag sorgte die Verschärfung der Situation im Nahen Osten vor allem an Wall Street für deutliche Kursverluste.
Doch die Kursschwäche hat ansonsten schon mit Inflation und Zinsen zu tun. Gespannt darf man nun sein, ob die EZB wie von vielen erwartet die Zinsen in diesem Jahr insgesamt viermal senken wird. Aus den 5 bis 7 der Fed ist auch nichts geworden.
So einfach ist es auch nicht, warnt Allianz-Chefökonom Ludovic Subran. Wenn die Fed nicht mitziehe, könnten die Märkte überreagieren. Er wolle nicht von Kapitalflucht sprechen, sagte Subran in einem Bloomberg-Interview. Aber unterschiedliche Wege der Zentralbanken wären für Europa schwer zu verdauen. Schon eine Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt wäre mit Blick auf den Eurokurs mutig, nicht zuletzt wegen des Ölpreises.
Aber Wall Street schaut schon woandershin. Am Freitag hat in den USA die Berichtssaison begonnen. Erwartet wird weiteres Gewinnwachstum der Unternehmen im S&P 500. Die Unternehmensgewinne seien viel stärker, als viele angenommen hätten.
Nun, ein bisschen hat es mit höheren Preisen zu tun. Doch bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21 und damit einer Aktienrendite von 4,8 Prozent sieht der Markt bei einer Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe von 4,5 Prozent nicht so reizvoll aus. Es ist der niedrigste Bewertungsvorsprung für Aktien seit zwei Jahrzehnten. Sinken die Zinsen nicht, werden Aktien auch nicht attraktiver.