
Die gesetzliche Pflegeversicherung in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen. Experten warnen seit Langem vor einem Kollaps der sozialen Pflegeversicherung, insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Zahl an Pflegebedürftigen und der längeren Pflegedauer, die durch die Babyboomer-Generation, die in naher Zukunft pflegebedürftig wird, angetrieben wird. Angesichts dieser Entwicklungen plant der Bund, das Thema Pflegeversicherung anzugehen. So wurde kürzlich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit dem Titel „Zukunftspakt Pflege“ ins Leben gerufen, die Reformen zur Bewältigung der Finanzierungsprobleme erarbeiten soll, wie ZDF berichtet.
Aktuell deckt die Pflegeversicherung nur einen Teil der Kosten, weshalb Eigenanteile von Betroffenen oder Angehörigen getragen werden müssen. Im Jahr 2023 lagen die Gesamtausgaben der Pflegeversicherung bei ca. 59,2 Milliarden Euro, während die Zahl der Pflegebedürftigen in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt wurde. Estimations des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass bis zu 7,6 Millionen Pflegebedürftige im Jahr 2055 erwartet werden. Diese Zahlen machen die gegenwärtige Situation als nicht tragfähig offensichtlich, da das Defizit der Pflegeversicherung für 2025 mit 1,65 Milliarden Euro beziffert wird und in den folgenden Jahren weiter ansteigt, wie das RP Online anführt.
Konflikte und Forderungen
Die anhaltende Diskussion über die Zukunft der Pflegeversicherung führt zu einem harten Verteilungskampf, insbesondere zu Beginn der Arbeitsgruppe. Gewerkschaften fordern einen Umbau der Pflegeversicherung zu einer Vollkasko-Versicherung, welche jedoch als unbezahlbar und als Erhöhung der Lohnnebenkosten angesehen wird. Der Umbau zur Vollkasko-Versicherung wird weitgehend als falscher Weg betrachtet, da die aktuellen Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits über 40 Prozent liegen, was die Notwendigkeit einer pragmatischen Lösung unterstreicht.
Die Idee einer Bürgerversicherung wird gleichfalls als Lösung zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen abgelehnt. Überdies wird die Pflegeversicherung als Teil der Sozialversicherung betrachtet, mit einer Versicherungspflicht für gesetzlich Versicherte und einer privaten Pflegeversicherung für Privatversicherte. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen paritätisch Beiträge von 1,8 Prozent des Bruttolohns, wobei kinderlose Arbeitnehmer zusätzlich 0,6 Prozent zahlen müssen.
Geplante Reformen und Perspektiven
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken plant kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen der Pflegeversicherung mit Milliardendarlehen, unter anderem in Höhe von 0,5 Milliarden Euro für 2025. Gepriesen wird die Einführung eines Pflegegeldes als Lohnersatz für pflegende Angehörige. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD wird eine umfassende Reform der Pflegeversicherung skizziert, mit einem geplanten Gesetzesentwurf, der Anfang 2026 vorgelegt werden soll. Zu den Reformvorschlägen gehören unter anderem eine Bürgerversicherung für Beamte und Selbstständige sowie höhere Beiträge für Gutverdiener.
In der Branche gibt es auch Bestrebungen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. So testet die Schön Klinik die Einführung einer Vier-Tage-Woche für Pflegekräfte, um die Zufriedenheit und die Zahl der Bewerbungen zu steigern. Um die Pflegesituation nachhaltig zu verbessern, sind daher Unterstützung für pflegebedürftige Menschen, neue Wohnformen und Präventionsangebote von entscheidender Bedeutung, um den anhaltenden Herausforderungen der Pflegeversicherung entgegenzuwirken.