
Ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 27. August 2024 hat für Aufsehen gesorgt, nachdem ein schwerer Verkehrsunfall mit tragischen Folgen zur Klärung in den Zivilgerichten führte. Der Fall dreht sich um einen Unfall, der im September 2018 stattfand. Ein alkoholisierter Fahrer raste mit über 150 km/h über eine Landstraße, wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei 70 km/h liegt. In der Folge geriet der Fahrer auf die Gegenfahrbahn und kollidierte frontal mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, wobei mehrere Insassen schwere Verletzungen erlitten.
Besonders betroffen war eine Beifahrerin im gegnerischen Fahrzeug, die gravierende Verletzungen davontrug. Eine weitere Mitfahrerin, die auf der Rückbank saß und nicht angeschnallt war, zog sich ebenfalls Verletzungen zu. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers verlangte daraufhin von der nicht angeschnallten Insassin Regress und argumentierte, dass deren fehlendes Anschnallen die Verletzungen der Beifahrerin mitverursacht habe. Allerdings sah das Oberlandesgericht Köln die Haftung anders.
Gerichtsurteil und Begründung
Das Oberlandesgericht wies die Klage der Haftpflichtversicherung ab und stellte fest, dass ein Verstoß gegen die Anschnallpflicht grundsätzlich eine Haftung des nicht angeschnallten Mitfahrers begründen könnte. Im vorliegenden Fall war jedoch das schwerwiegende Verschulden des Unfallverursachers so dominant, dass es die Haftung der Mitfahrerin vollständig ausschloss. Das Gericht betonte, dass die Abwägung der Schuld in solchen Fällen entscheidend ist und eine vollständige Entlastung des nicht angeschnallten Mitfahrers zur Folge haben kann, wenn der Unfallverursacher in besonders schwerwiegender Weise zur Entstehung des Unfalls beigetragen hat.
Die Versicherung des Unfallverursachers hatte zunächst gefordert, dass sie lediglich 30% der Kosten für die Verletzungen der Beifahrerin übernehmen sollte. 70% sollten von der nicht angeschnallten Insassin getragen werden. Ein Sachverständigengutachten hatte den Zusammenhang zwischen dem fehlenden Anschnallen und den Verletzungen der Beifahrerin hergestellt, indem es feststellte, dass die Knie der Beifahrerin in die Rückenlehne des Beifahrersitzes gedrungen seien und somit zu den Verletzungen beigetragen hätten. Dennoch bestätigte das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts Bonn, das die Klage bereits im Juli 2023 abgewiesen hatte.
Rechtslage und zukünftige Entwicklung
Das Urteil des Oberlandesgerichts ist nicht rechtskräftig, was bedeutet, dass die Haftpflichtversicherung möglicherweise noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen könnte. Es bleibt somit abzuwarten, ob die Rechtslage im Zuge weiterer rechtlicher Schritte noch einmal überprüft wird. Die Entscheidung verdeutlicht, dass im deutschen Recht die Gurtpflicht als drittschützende Norm fungiert, die Fahrzeuginsassen vor Verletzungen durch nicht angeschnallte Mitfahrer schützen soll.
Insgesamt zeigt der Fall, dass auch bei klar erkannten Schuldverhältnissen die genaue rechtliche Bewertung und die individuelle Schuldfrage entscheidend für die Haftung sind. Während das Gericht im Falle des schweren Unfalls eine klare Linie zieht, bleibt der Fall im juristischen Sinne spannend und könnte weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle haben.