
Das Oberlandesgericht Hamm hat kürzlich ein bedeutendes Urteil in Bezug auf Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung gefällt, das nicht nur für Versicherte, sondern auch für Versicherer von größter Relevanz ist. Der richterliche Beschluss sendet ein klares Signal: Die exakte Wortwahl von Gesundheitsfragen ist entscheidend. In diesem speziellen Fall wurde ein Versicherer verurteilt, dem Kläger rückwirkend mehr als 60.000 Euro Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen, einschließlich der Beitragsbefreiung. Diese Entscheidung stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar, da sie die Bedeutung der Antworten auf Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag unterstreicht. Asscompact berichtet, dass Rechtsanwalt Tobias Strübing in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass klare und korrekte Antworten auf Gesundheitsfragen einen entscheidenden Schutz vor nachträglichen Interpretationen seitens des Versicherers bieten.
Im konkreten Fall machte der Versicherer den Vorwurf, der Kläger habe im Antrag relevante Gesundheitsangaben verschwiegen. Das Oberlandesgericht stellte jedoch fest, dass die Interpretation der Fragen durch den Versicherer nicht tragfähig war. Zwei zentrale Fragen spielten in diesem Fall eine Rolle: zum einen die nach möglichen Erkrankungen der Atmungsorgane, und zum anderen nach Erkrankungen der Wirbelsäule, Sehnen und Bänder. Der Kläger hatte beide Fragen mit „nein“ beantwortet, was im Nachhinein als entscheidend angesehen wurde.
Entscheidendes Urteil des Oberlandesgerichts Hamm
Das Gericht wies darauf hin, dass eine einmalige, akute Bronchitis nicht als anzugeben sei, da die Fragen ausdrücklich nach „wiederholten oder chronischen“ Erkrankungen fragten. Auch eine Skoliose stellte sich als irrelevant heraus, da diese außerhalb des festgelegten Fünf-Jahres-Zeitraums lag und keine Behandlung oder Beratung stattfand. Bemerkenswert ist zudem, dass der Kläger in der Vergangenheit bereits Berufsunfähigkeitsanträge bei anderen Versicherern gestellt hatte, diese jedoch ohne negative Folgen blieben.
Der Versicherer berief sich im Verlauf des Prozesses auf Informationen, die nicht innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist, gemäß § 124 BGB, vorgebracht worden waren. Das OLG betonte, dass Anfechtungsgründe klar und fristgerecht benannt werden müssen; allgemeine Verweise oder nachgeschobene Begründungen wurden als unzureichend erachtet. Das Urteil, datiert vom 4. April 2025, trägt das Aktenzeichen 20 U 33/21 und ist ein wichtiges Beispiel für die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Beweislast für Berufsunfähigkeit
Zusätzlich zum aktuellen Urteil befasst sich ein früheres Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. Dezember 2017 (Aktenzeichen I-6 U 92/17) mit der Beweislast bei „mitgebrachter Berufsunfähigkeit“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung. In dieser Entscheidung wird klargestellt, dass der Versicherungsnehmer den Nachweis für die Berufsunfähigkeit während der Vertragsdauer erbringen muss. Dies bedeutet, dass Unklarheiten über vorvertragliche Berufsunfähigkeit, unter anderem durch relevante Urteile des BGH und anderer Oberlandesgerichte, entsprechend berücksichtigt werden müssen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die jüngsten Entscheidungen des OLG Hamm sowohl die Rechte der Versicherten stärken als auch die Anforderungen an Versicherer klarer definieren. Versicherte sollten sich der Bedeutung ihrer Angaben bewusst sein, während Versicherer angehalten sind, transparent und fair zu handeln.