
Immer mehr Deutsche setzen auf private Altersvorsorgeprodukte wie Riester-, Betriebs- oder Rüruprente, um im Alter finanziell abgesichert zu sein. Doch die Realität sieht düster aus: Versicherer haben in den letzten Jahren den Rentenfaktor ihrer Policen drastisch gekürzt. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Höhe der monatlichen Auszahlungen im Rentenalter. Ein konkretes Beispiel zeigt, dass der Rentenfaktor eines Riester-Vertrags bei Vertragsabschluss bei 51,43 lag und inzwischen dreimal auf 33,70 gesenkt wurde. Dies könnte für die betroffenen Versicherten einen Unterschied von bis zu 124 Euro weniger monatlicher Rente bedeuten.
Beratungsportale wie Finanztipp berichteten bereits 2017 von rund 100.000 betroffenen Kunden der Axa-Versicherung und 700.000 Verträgen der Allianz. Ein zentrales Problem sind Klauseln im Kleingedruckten der Verträge, die Kürzungen des Rentenfaktors erlauben. Ein bedeutendes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart hat klargestellt, dass Verträge mit Kürzungsmöglichkeiten auch eine Option zur Erhöhung der Rente in besseren Zeiten beinhalten müssen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat daher gegen die Klausel der Allianz geklagt, die Kürzungen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten ermöglicht.
Rechtliche Entwicklungen
Die rechtliche Lage rund um die Kürzungen bei der Riester-Rente ist derzeit außerordentlich dynamisch. Zwei wichtige Urteile aus dem Jahr 2023 und einem weiteren aus 2024 könnten gravierende Auswirkungen auf sämtliche Versicherte haben. Das Landgericht Köln entschied im Februar 2023 zugunsten der Versicherten und erklärte, dass eine nachträgliche Kürzung des Rentenfaktors durch Versicherer wie die Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung unzulässig ist, insbesondere wenn sie mit der Niedrigzinsphase begründet wird. Versicherer haben demnach nicht die Befugnis, einseitig die Rentenzahlungen zu kürzen. Dies eröffnet den Versicherten die Möglichkeit, ihre ursprünglichen Rentenzahlungen einzufordern.
Im Jahr 2024 folgte ein weiteres bedeutendes Urteil des Amtsgerichts Reinbek, welches eine von der Allianz Lebensversicherung verwendete Klausel zur Kürzung des Rentenfaktors für unwirksam erklärte. Zukünftige Kürzungen seien somit nicht mehr zulässig. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart aus Juli 2023 hingegen, das die Rentenfaktorsenkung der Allianz als rechtmäßig bewertete, sorgt für Unsicherheiten. Hier bleibt abzuwarten, wie die Berufung entschieden wird.
Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten für Versicherte
Die unterschiedlichen Urteile schaffen eine komplexe rechtliche Situation für die Versicherungsbranche und die Versicherten. Während das Kölner Urteil den Rechte der Versicherten stärkt, wirft das Stuttgarter Urteil (das noch in Berufung ist) Fragen auf und könnte zu weiteren Unsicherheiten führen. Daher ist es absolut empfehlenswert, dass betroffene Versicherte ihre Verträge genau prüfen und sich rechtlichen Rat einholen.
Ein entscheidender Parameter für die Auszahlung der Riester-Rente ist der Rentenfaktor. Jede Reduzierung dieses Faktors führt nicht nur zu Einbußen bei den monatlichen Zahlungen, sondern beeinflusst auch die finanzielle Sicherheit im Alter. Versicherte sollten sich deshalb aktiv mit ihren Verträgen auseinandersetzen und gegebenenfalls die Musterbriefe der Verbraucherzentralen für die Kommunikation mit ihren Versicherern nutzen, um gegen unrechtmäßige Kürzungen vorzugehen, wie auch bereits berichtet wird.
Insgesamt zeigen die aktuellen Entwicklungen, dass Versicherte trotz der unsicheren rechtlichen Lage die Hoffnung nicht aufgeben sollten. Die Urteile bieten Chancen zur Gegenwehr gegen unrechtmäßige Kürzungen und stärken die Rechte der Verbraucher.