
Am 4. April 2025 entschied das Oberlandesgericht Hamm in einem wegweisenden Fall zur Berufsunfähigkeitsversicherung (Aktenzeichen 20 U 33/21), der weitreichende Konsequenzen für Versicherungsnehmer hat. Ein selbständiger Imbissbetreiber, der seit November 2013 angab, berufsunfähig zu sein, stand im Mittelpunkt des Verfahrens. Die betreffende Versicherung wollte von dem Vertrag zurücktreten und argumentierte, er habe seine vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt.
Das Landgericht wies die Klage zunächst ab, doch das Oberlandesgericht stellte fest, dass sowohl der Rücktritt als auch die Anfechtung unwirksam waren. Damit wurde der Kläger ab November 2013 als berufsunfähig anerkannt, jedoch konnte die Versicherung ihn im Verlauf auf eine neue Tätigkeit als Verwaltungswirt verweisen, was zu einer Beendigung ihrer Leistungspflicht zum Ende Dezember 2020 führte.
Gesundheitsfragen und deren Bedeutung
Die Versicherung warf dem Kläger vor, gesundheitliche Vorerkrankungen sowie abgelehnte frühere Anträge verschwiegen zu haben. Diese Behauptungen wurden jedoch durch das Gericht letztlich widerlegt. Das OLG Hamm stellte klar, dass der Kläger keine falschen Angaben gemacht hatte; die relevanten medizinischen Informationen waren im Antrag korrekt angegeben. Ein wichtiger Aspekt des Urteils ist die strenge Auslegung der Gesundheitsfragen im Antragsformular.
Zu den kritischen Fragen, die der Kläger mit „nein“ beantwortete, gehörten unter anderem Informationen über krankheitsbedingte Behandlungen der Atmungsorgane sowie der Wirbelsäule. Das Gericht hielte fest, dass eine einmalige akute Bronchitis nicht anzugeben sei, da die Frage auf „wiederholte oder chronische“ Erkrankungen abzielte. Auch eine im Röntgenbefund aus dem Jahr 2006 erwähnte Skoliose war für das Gericht kein relevantes auskunftspflichtiges Ereignis, da keine Behandlung oder Beratung stattfand.
Rechtskonsequenzen und Hinweise für Versicherungsnehmer
Das Oberlandesgericht unterstrich zudem die Notwendigkeit, Anfechtungsgründe innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist zu benennen, gemäß Paragraf 124 BGB. Pauschale Verweise auf frühere Arztberichte reichen nicht aus; diese müssen unmittelbar und fristgerecht im Prozess genannt werden. Das Urteil gilt als Signal an alle Versicherungsnehmer, dass eine korrekte Beantwortung der Gesundheitsfragen vor nachträglicher Auslegung durch den Versicherer schützt.
Aspekt | Details |
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Kläger | Selbständiger Imbissbetreiber, berufsunfähig seit November 2013 |
Versicherung | Wollte aufgrund angeblicher Anzeigepflichtverletzung vom Vertrag zurücktreten |
Urteil | Rücktritt und Anfechtung waren unwirksam, Kläger erhielt über 60.000 Euro |
Wichtige Fragen im Antrag | B4.2 und B4.9, betreffend Atmungsorgane und Wirbelsäule |
Fristen und Pflichtangaben | Anfechtungsgründe müssen innerhalb von einem Jahr nach Vertragsabschluss genannt werden |
Abschließend betonen Experten, dass es für Versicherungsnehmer entscheidend ist, Rücktritts- und Anfechtungserklärungen sorgfältig zu prüfen und gesundheitliche Beeinträchtigungen umfassend zu dokumentieren. Das Urteil stärkt die Rechte von Versicherungsnehmern in Auseinandersetzungen mit Versicherungsunternehmen und sollte als Orientierungshilfe für ähnliche Fälle dienen.
Weitere Informationen zu diesem Urteil finden Sie auf anwalt.de sowie auf pfefferminzia.de.