Wirtschaft

Tierhaltungskennzeichnung: Fristverlängerung als Chance für Praxis?

Die Koalition hat die Frist für die Umsetzung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf den 1. März 2026 verschoben, was sowohl in der Landwirtschaft als auch beim Verband der Fleischwirtschaft (VDF) auf Erleichterung stößt. Der VDF-Hauptgeschäftsführer Steffen Reiter äußert, dass die gewonnene Zeit zur praxisgerechten Umgestaltung des Gesetzes genutzt werden sollte. Wichtig sei dabei die transparente Darstellung der Haltungsbedingungen durch bestehende Systeme, wie auch die Initiative Tierwohl (ITW) anmerkt.

Robert Römer, Geschäftsführer der ITW, betont die Notwendigkeit, private Kontrollsysteme in die staatlichen Regelungen zu integrieren. Er hält die vorgesehenen Registrierungs- und Nachweispflichten für überflüssig und fordert die Abschaffung des Verbots, Fleisch von Tieren niedrigerer Haltungsstufen zu vermarkten, um eine flexiblere Marktnutzung zu ermöglichen.

Reaktionen der Landwirtschaft

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) hat eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes gefordert und sieht Reparaturbedarf in der Umsetzung sowie die Benachteiligung heimischer Ware. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber bezeichnet die Fristverlängerung als positives Signal für eine praxistaugliche Politik und hebt die Wichtigkeit von Planungssicherheit für die Landwirtschaft hervor.

Im Gegensatz dazu kritisiert Dr. Zoe Mayer von den Grünen die Verschiebung scharf und fordert eine zeitnahe Ausweitung des Gesetzes auf den Gastronomiebereich. Sie hebt die Notwendigkeit einer verlässlichen Kennzeichnung für eine zukunftsfähige Tierhaltung hervor, die von der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft empfohlen wurde.

Hintergrund und Herausforderungen

Am 7. Juni 2022 präsentierte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erste Pläne zur staatlichen Tierhaltungskennzeichnung. Die Initiative Tierwohl hat diese Pläne kommentiert und unterstrichen, dass die Stufe „Stallhaltung + Platz“ entscheidend für das Tierwohl in Deutschland sei. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft sei notwendig, um die Überprüfung landwirtschaftlicher Betriebe effizient zu gestalten.

Ein tragfähiges Finanzierungskonzept, das die Kennzeichnung ergänzt und an den Markt gebunden ist, sei essenziell. Dabei äußert Römer Bedenken, dass Stallumbauten für viele Landwirte kurzfristig nicht umsetzbar sind. Zudem sollten Betriebe der ITW, die bereits Fortschritte im Tierwohl erzielt haben, in der Kennzeichnung angemessen berücksichtigt werden.

Auch die Kontrollmechanismen stehen auf dem Prüfstand. Der Staat soll zwar die Betriebe kontrollieren, es ist jedoch erforderlich, bestehende Kontrollsysteme der Wirtschaft einzubeziehen. ITW-Betriebe werden bereits zweimal jährlich kontrolliert. Eine Herausforderung bleibt, dass der deutsche Staat im Ausland keine Betriebe überprüfen kann, die am Tierhaltungskennzeichen teilnehmen.

Dr. Alexander Hinrichs von der ITW weist darauf hin, dass das geplante Kennzeichnungssystem den Status Quo widerspiegle und es an einem tragfähigen Finanzierungsmodell für die Umgestaltung der Tierhaltung fehle. Die Finanzierung der tierhaltenden Betriebe und deren Verknüpfung mit dem Markt sind zentrale Fragen, die es zu klären gilt. Aktuell finanziert die Wirtschaft die ITW, die 60 % der Mastschweine und 90 % der Masthähnchen und Puten in der Stufe 2 der freiwilligen Haltungsform-Kennzeichnung abdeckt.

Tim Meisner

Tim Meisner ist ein angesehener Wirtschaftsexperte und Analyst mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung in der deutschen Wirtschaftslandschaft. Durch seine langjährige Tätigkeit in Deutschland hat er ein umfassendes Verständnis für lokale und nationale Wirtschaftsthemen entwickelt. Sein Fachwissen erstreckt sich von Finanzmärkten und Unternehmensstrategien bis hin zu makroökonomischen Trends. Er ist bekannt für seine klaren Analysen und durchdachten Einschätzungen, die regelmäßig in führenden Wirtschaftsmedien zitiert werden.

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