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Hohe Energiekosten werden in Deutschland häufig als Hauptursache für die aktuelle Wirtschaftskrise genannt. Eine eingehende Analyse der 100 größten börsennotierten Unternehmen zeigt jedoch, dass andere Faktoren gewichtiger sind. Insbesondere hat der Fachkräftemangel eine deutliche Auswirkung auf die wirtschaftliche Lage, was die Strategie- und Beratungsfirma Advyce & Company sowie die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) in ihrer jüngsten Untersuchung feststellten. Diese faktische Untersuchung deutet darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2023 das dritte Jahr in Folge schrumpfen könnte, was seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr vorgekommen ist.
Die Ergebnisse dieser Analyse legen offen, dass die Energiekosten lediglich 4 % der Gesamtbelastung der Unternehmen ausmachen. Ein erheblicher Anteil von 20 % wird dem Fachkräftemangel zugeschrieben, während der starke internationale Wettbewerb mit 21 % und die Regulierungen der zweithöchste Faktor mit einem Anteil von 24 % sind. Letztere wirken sich besonders belastend aus, da die Geschwindigkeit neuer Vorschriften die Unternehmen unter Druck setzt. Die schwerwiegendste Ursache liegt in den hohen Lohn- und Strukturkosten, die 20 % über dem europäischen Durchschnitt liegen. Dabei treiben hohe Lohn- und Lohnnebenkosten, gepaart mit niedriger Produktivität und ineffizienten Organisationsstrukturen, die Strukturkosten in die Höhe.
Aufgrund dieser Gegebenheiten wird ein Kulturwandel in deutschen Unternehmen gefordert, um innovativer zu werden. Die Politik ist aufgefordert, Lohnnebenkosten zu senken, die Sozialversicherungen zu reformieren und Investitionszuschüsse bereitzustellen. Laut Marc Tüngler von der DSW liegt es in der Verantwortung der künftigen Bundesregierung, nötige Impulse zu setzen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Herausforderungen für die deutsche Industrie
Zusätzlich zeigt die Analyse, dass deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich wenig in Forschung und Entwicklung investieren. Besonders betroffen seien der Maschinen- und Anlagenbau, gefolgt von der chemischen Industrie und den Energieversorgern. Der fehlende Innovationsgeist und veraltete Strukturen werden als Hemmnisse identifiziert, die vor allem große Unternehmen betreffen. Martin Geißler, Analyst bei Advyce, sieht die Verantwortung bei den Unternehmen selbst und warnt, dass die Auswirkungen der Pandemie und des Ukrainekriegs keine Entschuldigung für fehlende Modernisierungen darstellen können. Banken und die Pharmaindustrie sind hier besonders gefordert, da hohe Gehälter und ineffiziente, wenig digitalisierte Strukturen die Kosten in die Höhe treiben.
Im Gegensatz dazu gelten IT-Unternehmen als positives Beispiel für digitale Effizienz. In der breiteren Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wird auch der Druck durch internationale Wettbewerber, insbesondere aus China, erwähnt, der insbesondere der Automobilindustrie zu schaffen macht. Der Fachkräftemangel ist nach wie vor im IT- und Ingenieurbereich spürbar, was ebenfalls die Innovationskraft einschränkt. Ein Anstieg der Energiekosten trifft vor allem die Branchen Chemie und Rohstoffe am stärksten. Dennoch bleibt die Hoffnung bestehen, dass Deutschlands hochqualifizierte Fachkräfte und spezialisierten Unternehmen international einzigartig sind und das Potenzial zur Steigerung der Innovationskraft ausgeschöpft werden kann. Die Politik wird aufgefordert, die Industrie zu unterstützen, indem sie die Lohnnebenkosten senkt und Maßnahmen zur Reduktion der Energiekosten ergreift, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu fördern, wie die DSW und Advyce & Company festgestellt haben.