
In Deutschland warten viele gesetzlich Versicherte lange auf Arzttermine. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung, rund 90 Prozent, ist bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert, während etwa 10 Prozent privat versichert sind. Ein zunehmendes Problem entsteht durch Selbstzahler-Termine, die eine schnellere Behandlung ermöglichen. Diese werden besonders häufig bei Facharztbehandlungen angeboten. NDR berichtet, dass Patienten wie die 76-jährige Gudrun Wolter, die Schmerzen im Handgelenk hatte, bereit sind, für eine schnellere Behandlung 180 Euro für ein MRT zu zahlen.
Diese Entwicklung weckt Bedenken über die Entstehung einer Drei-Klassen-Medizin. Während Selbstzahler innerhalb einer Woche einen Termin erhalten, müssen gesetzlich Versicherte häufig Monate auf eine Behandlung warten. Eine Umfrage im Auftrag der AOK ergab, dass 17 Prozent der Befragten als gesetzlich Versicherte schon einmal einen zeitnahen Termin aufgrund eines Selbstzahler-Termins erhalten haben. BR informiert, dass es keinerlei offizielle Statistiken darüber gibt, wie viele Patienten tatsächlich als Selbstzahler auftreten. Dies erschwert eine umfassende Bewertung der Situation.
Ärztliche Perspektiven und gesetzliche Vorgaben
Ärzte zeigen sich überwiegend kritisch gegenüber den Selbstzahler-Terminen, gestehen jedoch ein, dass ökonomischer Druck eine Rolle spielt. Insbesondere Kassenärzte sind verpflichtet, 25 Stunden pro Woche für Kassenpatienten zu arbeiten. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern hat zwar keinen Überblick über die Praxen, die Selbstzahlerleistungen anbieten, überprüft jedoch die Einhaltung dieser Vorgaben. Dennoch reicht das Angebot an freien Terminen für Kassenpatienten häufig nicht aus.
Ein Extremfall ist die Geschichte von Pia Meyer-Schunk, die als Kassenpatientin sechs Monate auf einen Termin für eine Krebstherapie warten musste. Nach der Entdeckung eines Knoten in der Brust erhielt sie erst Monate später, im Dezember, einen Termin im Brustzentrum, woraufhin ihre Therapie im Oktober begann. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Metastasen in der Leber vorhanden, und sie gilt heute als austherapiert.
Forderungen nach Veränderungen
Die AOK fordert ein Verbot solcher Selbstzahler-Angebote, um ein System der zwei Geschwindigkeiten zu verhindern. Laut NDR gibt es sogar ein Gerichtsurteil aus Düsseldorf, das einem Augenarzt untersagt hat, Kassenleistungen als Selbstzahler-Termine anzubieten. Auch die Verbraucherzentralen bezweifeln, dass Patienten die Selbstzahler-Optionen bewusst wählen können.
Das Bundesgesundheitsministerium beobachtet die Entwicklungen, hat aber bislang keine konkreten Maßnahmen angekündigt. Die Unsicherheit und Unterschreitung von Patientenrechten bleibt somit ein drängendes Thema, das dringend angegangen werden muss, um faire Bedingungen für alle Versicherten zu gewährleisten.