
Die Stahlindustrie gilt als einer der größten CO2-Emittenten weltweit. Um die umweltfreundlichen Standards zu erhöhen, setzen viele Stahlhersteller auf die Produktion von „grünem Stahl“, der mit grünem Wasserstoff hergestellt wird. Doch die angekündigte Entscheidung von ArcelorMittal, sich aus einem bedeutenden Projekt für nachhaltigen Stahl zurückzuziehen, sorgt für Besorgnis in der Branche. Dieses Projekt hatte ursprünglich große Hoffnungen auf eine emissionsfreie Produktion ohne den Einsatz von Kohle geweckt, und trotz staatlicher Fördergelder von rund 1,3 Milliarden Euro wird das Vorhaben nun auf Eis gelegt. Dies wird als ein Warnsignal für die Politik und die Industrie angesehen, berichtet radioeins.
Obwohl ArcelorMittal seine Beteiligung an dem Projekt beendet hat, halten andere Unternehmen wie Thyssenkrupp Steel, Salzgitter AG und Saarstahl an ihren Vorhaben fest. Diese Unternehmen sind jedoch mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, insbesondere mit dem Mangel an Wasserstoffinfrastruktur. Die erforderlichen Pipelines und Elektrolyseure sind nicht ausreichend entwickelt, um eine umfassende Umstellung auf grünen Stahl zu gewährleisten, wie ZDF Heute berichtet.
Die Herausforderungen der grünen Stahlproduktion
Der Weg hin zu grünem Stahl ist mit hohen Kosten verbunden. Für Thyssenkrupp wird geschätzt, dass die jährlichen Mehrkosten zwischen 300 und 400 Millionen Euro liegen könnten. Dazu kommt, dass die Kostensenkungen bei Wasserstoff langsamer als erwartet erfolgen, was die Differenz zwischen grünem und CO2-armem Wasserstoff größer macht als ursprünglich angenommen. Fehlende verbindliche Abnahmegarantien und ein noch nicht funktionierender Markt für grünen Stahl erschweren die Situation zusätzlich.
Ökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum äußert ernsthafte Zweifel an der Machbarkeit der Transformation zu grünem Stahl im globalen Wettbewerb. Er weist darauf hin, dass ein flächendeckendes Wasserstoffnetz frühestens im Jahr 2029 verfügbar sein wird. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Deutschland auf Importe von Wasserstoff angewiesen. Zudem belasten Handelszölle, wie die 25%igen Zölle auf europäischen Stahl in den USA, die Lage der europäischen Stahlindustrie.
Chancen und Perspektiven
Trotz dieser herausfordernden Umstände betont die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur die Chancen, die mit einer Umstellung auf grünen Stahl einhergehen. Sie argumentiert, dass dies ein nachhaltiges Wachstum und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz ermöglichen könnte. Allerdings warnt auch Löschel davor, dass einfaches Vertrauen in Versprechen und Fördergelder nicht ausreichend sei. Es brauche einen klaren industriepolitischen Kurs mit weniger restriktiven Rahmenbedingungen, um die Transformation tatsächlich zu realisieren.
Der deutsche Traum vom grünen Stahl steht somit auf der Kippe, ist jedoch noch nicht gescheitert. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um die notwendigen Infrastrukturen und Märkte für eine erfolgreiche Umsetzung zu schaffen.